Ein Bürgerbeauftragter, vier Tätigkeiten
Seit 21. November 2013 ist Dr. Kurt Herzberg Bürgerbeauftragter des Freistaates Thüringen. Die Stelle nimmt er gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern mit viel Respekt, Interesse und ein Stück auch mit Demut wahr. Als Vermittlung zwischen Bürger/in und Verwaltung erklärt er seine Aufgabe mit vier Schlagworten. Am 27. November bot er wieder eine Sprechstunde im Landratsamt des Ilm-Kreises in Arnstadt an. Die Termine wurden gut und gern von Bürgerinnen und Bürgern genutzt. Was er erreichen kann und konnte, kommuniziert Dr. Kurt Herzberg im jährlichen Bericht, aber auch auf der Internetseite www.buergerbeauftragter-thueringen.de. Im Interview erzählt er, was ihn seit fünf Jahren an der Stelle reizt und was es braucht, um Bürgerbeauftragter zu sein.
Herr Dr. Herzberg, Sie sind seit ziemlich genau fünf Jahren Bürgerbeauftragter des Freistaates Thüringen. Was machen Sie in dieser Funktion?
Dr. Kurt Herzberg: Ich beschreibe meine Tätigkeit gern mit vier Begriffen. Als erstes bin ich Lotse. Menschen kommen zu mir und fragen mich, wer für ihr Anliegen zuständig ist, wer ihnen helfen kann. Als zweites bin ich Dolmetscher. Viele Bürgerinnen und Bürger verstehen Bescheide und Mitteilungen in Amtssprache kaum. Ich mache sie ihnen nachvollziehbar und verständlich. Ich übersetze sie quasi. Andersherum übersetze ich die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger auch für die Behörden. So löse ich viele Missverständnisse. Als drittes bin ich Moderator. Im Thüringer Bürgerbeauftragten-Gesetz steht, dass der Bürgerbeauftragte nach einer einvernehmlichen Lösung sucht. Dabei geht es nicht um das Schlichten eines Nachbarschaftsstreits, sondern um das Verhältnis des Hilfesuchenden zu Behörden. Für diese Aufgabe ist mir wichtig, die Augenhöhe zwischen Bürgerinnen und Bürger und den Behörden sicherzustellen. Viertens bin ich schließlich Seismograf. Ich erlebe die Wirklichkeitswahrnehmung und die Problembereiche der Bürgerinnen und Bürger und trage sie zu den Abgeordneten des Thüringer Landtages. Damit mache ich Schwingungen in der Gesellschaft in der Politik sichtbar.
Das sind sehr vielfältige Aufgaben. Was braucht es an Kompetenzen für diese Position?
Studiert habe ich Theologie, Kommunikation und Psychologie. Der juristische Sachverstand steckt in meinem Team. Doch es braucht noch mehr. Es braucht die Fähigkeit, zuhören zu können. Man braucht viel Empathie für die Menschen, um nachvollziehen zu können, warum sie frustriert oder wütend sind.
Sind denn viele Bürgerinnen und Bürger in ihrer Sprechstunde so wütend oder frustriert?
Ja. In der Regel kommen die Bürgerinnen und Bürger aus einer Konfliktgeschichte heraus. Sie sind an vielen Behördenstellen schon gescheitert oder haben eine Ablehnung auf eine Anfrage bekommen. Mit diesen Anliegen kommen sie dann zu mir.
Warum aber hören Sie sich seit fünf Jahren diesen Frust und diese Wut an?
Ich bin damals gefragt worden, ob ich mir diese Position vorstellen könnte. Ich habe dann ja gesagt. Vorher habe ich im Familienverbandsbereich gearbeitet und hatte da ähnliche Settings. Menschen schilderten mir ihre Alltagsprobleme, damals im Familienbereich, jetzt in viel weiterem Umfang. Das hat mich gereizt und es macht mir jeden Tag neu auch Spaß.
Was passiert, nachdem sie die Probleme der Bürgerinnen und Bürger aufgenommen haben? Verfolgen Sie die Fälle weiter?
Natürlich. Die Ergebnisse teile ich den Bürgerinnen und Bürgern ja mit. Die Sprechstunden sind ja nur der Anfang. Meine Arbeit beginnt in Erfurt. Ich sichte die Informationen und höre mir dann die andere, die Behördenseite, an, indem ich Stellungnahmen einhole. Im Interesse der Bürgerinnen und Bürger und der Einvernehmlichkeit lote ich dann eine mögliche Lösung aus.
Wie oft gelingt das?
Es gibt stets einen Jahresbericht von mir, in dem ich meine Fälle und die Ergebnisse darlege. Er liegt zu den Sprechstunden aus und ist auch online abrufbar. 2017 etwa wurden 741 Anliegen an mich herangetragen. In 20,4 Prozent der Fälle wurde dem Anliegen tatsächlich abgeholfen. 23 Prozent der Fälle erledigten sich durch die entsprechenden Informationen. Ein Drittel aller Fälle aber konnte durch eine ausführliche Erklärung des Sachverhaltes und der Rechtslage dem Bürger/ der Bürgerin verständlich gemacht werden. Das ist eine wichtige Zahl für mich. Das Anliegen änderte sich zwar nicht, aber die Entscheidungen wurden verständlich und oft dadurch auch mehr akzeptiert. Mein Dienst hilft, die Behördenentscheidungen auch nachzuvollziehen.
Und melden sich die Bürgerinnen und Bürger auch zurück?
Ich kriege regelmäßig E-Mails und Schreiben, in denen sich die Bürgerinnen und Bürger bei mir bedanken. Ein Mann schrieb mir vor Kurzem, er habe seinen Glauben an die Demokratie dadurch wieder zurückgewonnen, die er zuvor schon verloren glaubte.
Welches Resümee ziehen Sie nach fünf Jahren für sich?
Ich konnte schon viel anstoßen. Ich mache mich für eine bürgerfreundliche Behörde stark und merke, dass seitens der Verwaltung dort viel passiert, das Anliegen ernst genommen wird. Ich möchte auch weiterhin Anregungen für mehr Dialog zwischen Behörde und Bürger geben. Persönlich ist die Aufgabe des Bürgerbeauftragten für mich nach fünf Jahren noch immer eine Frage der Haltung. Ich höre den Bürgerinnen und Bürgern interessiert, respektvoll und demütig vor dem, was sie an Schicksalen und Alltagsbewältigungen an mich herantragen, zu. Das lässt mich immer wieder jeden Morgen froh aufstehen.
Es fragte Doreen Huth, LRA Ilm-Kreis
V. i. S. d. P. Doreen Huth, Büro Landrätin
Der Bürgerbeauftragte Dr. Kurt Herzberg im Austausch mit dem Beigeordneten Kay Tischer über die bürgerfreundliche Behörde.