Gedenken verpflichtet zum Widerstand gegen Rechtspopulismus
Zum Gedenken an den 74. Jahrestag des Todesmarsches im Jonastal sprach Landrätin Petra Enders mahnende Worte. Dem Erstarken des Rechtspopulismus müsse sich die Politik konsequent entgegenstellen. Gerade die Verantwortung gegenüber dem Vermächtnis der Opfer an diesem Ort verpflichte dazu, „die Politik wieder zurück zu den Menschen zu bringen und die Menschen zurück in die Politik“. Zusammen mit dem Konsul der Russischen Föderation, Alexej Nowikow, Elke Pudszuhn von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, Mitgliedern des Kreistages, Vertreterinnen und Vertreter der Stadt Arnstadt und dem Verein „Geschichts- und Technologieregion Großraum Jonastal“ legte Landrätin Petra Enders Kränze und Blumen nieder.
Zum 74. Mal jährte sich der Todesmarsch im Jonastal. Anfang April 1945 befreiten die Alliierten das Außenlager S III des KZ Buchenwalds. Seither wurde zwischen Arnstadt und Crawinkel eine Gedenkstätte eingerichtet, an der jährlich der Opfer dieses Todesmarsches gedacht wird. Viele erinnernde, mahnende und würdige Worte wurden in zahlreichen Gedenkveranstaltungen seitdem gesprochen. Und so galten auch bei diesem Gedenken die Worte von Georg Ribienski, stellvertretender Vorsitzender des Vereines Jonastal, mehr denn je: „Die Wiederholungen auf solchen Gedenkveranstaltungen sind notwendig. Immer wieder müssen wir erinnern, uns rechten Tendenzen entgegenstellen durch die Vermittlung von Tatsachen und Wissen. Das ist unsere Aufgabe im Verein.“
Landrätin Petra Enders erinnerte ebenso wieder an die Tausenden Menschen, die 1944 bis 1945 an diesem Ort zur Sklavenarbeit gezwungen wurden, die geschunden, gequält und ermordet wurden. Diese Tatsache darf nie vergessen werden. Das Vermächtnis der Opfer sei es, Verantwortung zu übernehmen. Gerade in Zeiten des erstarkenden Rechtspopulismus, der mit alternativen Fakten, Hetze, Halbwahrheiten, Lügen und mit faschistischer Rhetorik die Gesellschaft spalten will und die Demokratie aushöhlt. „Nein! Das ist keine Alternative, nicht für Deutschland, nicht für Thüringen und auch nicht für den Ilm-Kreis. Es liegt in unserer Hand, die Demokratie zu verteidigen. Wir brauchen in Deutschland eine Politik, die sich den Menschen verpflichtet fühlt, die sich ihnen zuwendet und nicht irgendwelchen weltweit agierenden Großkonzernen und Wirtschaftslobbyisten. Politik muss Probleme lösen und nicht als Lösung des Problems empfunden werden.“ Sie betonte zudem, dass die Politik wieder zu den Menschen gebracht werden müsse und die Menschen zurück in die Politik.
Erinnern als Anspruch und Verpflichtung
Es seien Antworten nötig auf die Fragen der Menschen zu sozialen Verbesserungen, guter Bildung, Integration, besseren Renten, die ein würdiges Leben im Alter ermöglichen, zu Fragen des Umgangs mit unseren natürlichen Ressourcen, mit Natur, Umwelt und Klima. Dafür müssten die Sorgen und Ängste der Menschen ernst genommen werden. Sie abzutun und zu ignorieren, spiele nur rechten Kräften in die Hände. „Unsere Verantwortung vor der deutschen Geschichte verlangt es, dafür einzustehen, dass sich nie wieder irgendein Mensch über einen anderen erhebt.“ Erinnern sei deshalb Anspruch und Verpflichtung zugleich. Erst Recht an Gedenkstätten wie der im Jonastal, die immer wieder Zielscheibe politisch motivierter Straftaten sind und als „Denkmal der Schande“ diffamiert werden. Petra Enders dankte nochmals dem Verein Jonastal für ihren engagierten Einsatz an diesem Ort und im Dokumentationszentrum in Arnstadt.
Alexej Nowikow betonte als Konsul der Russischen Föderation in Leipzig ebenso, dass es die Aufgabe eines jeden sei, dass sich eine so unmenschliche Grausamkeit, wie sie auch im Jonastal geschehen ist, nicht mehr wiederholen darf. In diesem Sinne bekräftigte Elke Pudszuhn von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten noch einmal den Schwur der 21.000 des KZ Buchenwald, gesprochen am 19. April 1945 im befreiten Konzentrationslager bei einer Trauerkundgebung der Überlebenden:
„Wir Buchenwalder, Russen, Franzosen, Polen, Tschechen, – Slovaken und Deutsche, Spanier, Italiener und Österreicher, Belgier und Holländer, Engländer, Luxemburger, Rumänen, Jugoslaven und Ungarn kämpften gemeinsam gegen die SS, gegen die nazistischen Verbrecher, für unsere eigene Befreiung. Uns beseelte eine Idee: Unsere Sache ist gerecht - Der Sieg muß unser sein!“
Die Tochter eines KZ-Insassen betonte, der Schwur habe an Aktualität nicht verloren. Mit Blick auf die EU-Wahlen mahnte sie vor den europaweiten rechtspopulistischen Kräften, die in vielen Ländern mittlerweile in Regierungsverantwortung seien. Mit Abschottung und Militarisierung reagiere Europa auf die Herausforderungen der Gegenwart, zu Lasten der Schwächsten. „Wir müssen die Stimme stärken für die Demokratie, den Frieden und die Solidarität.“
Der Schwur ist noch nicht erfüllt
Auch heute sei der Schwur von Buchenwald noch nicht erfüllt, sagte Georg Ribienski als Vertreter des Jonastalvereines. Und deshalb sei es wichtig, eben jedes Jahr die Worte, die gesagt wurden, an diesem Ort zu wiederholen. Immer und immer wieder werde der Verein aufklären, Tatsachen vermitteln, Wissen verbreiten, Täter benennen und den Opfern Gesichter geben. Dem Gedenken folgte deshalb auch die Einladung ins Dokumentationszentrum im Lokschuppen Arnstadt, Rehestädter Weg 2c, zum gemeinsamen Austausch.
Musikalisch würdig umrahmt wurde die Gedenkveranstaltung von Friederike Kroboth am Akkordeon. In der Musikschule Arnstadt-Ilmenau schaffte sie es in diesem Jahr bis zum Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“.
Der ehrenamtliche Beigeordnete Eckhard Bauerschmidt und Landrätin Petra Enders legten an der Gedenkstätte Jonastal einen Kranz nieder und gedachten der Opfer des Todesmarsches.
V. i. S. d. P. Doreen Huth, Büro Landrätin