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27.01.2020

Statement von Landrätin Petra Enders zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus

Anlässlich der Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz, das sich zum 75. Mal jährt, gedenkt auch Landrätin Petra Enders am 27. Januar 2020 der Opfer des Nationalsozialismus.

„Das haben Menschen Menschen angetan“

Es ist heute 78 Jahre her, dass 15 hochrangige Vertreter des Nazi-Regimes in einer Berliner Villa im Westen zusammenkamen, um mit unfassbarer Menschenverachtung den millionenfachen Mord an den europäischen Juden möglichst effizient zu organisieren, der damals längst beschlossen war und auch seit Langem begonnen hatte. Die „Wannsee-Konferenz“ vom 20. Januar 1942 spiegelt jene zynisch technokratische Unmenschlichkeit und ideologische Barbarei wider, die Jüdinnen und Juden und andere Gruppen unschuldiger Menschen traf.

Ihrer, der Millionen Entrechteter, Gequälter und Ermordeter, gedenken wir heute – all derer, die von der nationalsozialistischen Ideologie zu Feinden erklärt, verfolgt und vernichtet wurden. Wir erinnern auch an diejenigen, die mutig Widerstand leisteten, und dafür selbst allzu oft mit dem Leben bezahlen mussten.

Wir wissen, Gedenktage allein bewahren uns nicht davor, im Hier und Heute gleichgültig zu werden. Die Erinnerung an den Holocaust bleibt eine Sache aller Bürgerinnen und Bürger, die in Deutschland leben. Er gehört zur Geschichte dieses Landes. Hier in Deutschland, wo wir täglich an Häusern vorbeigehen, aus denen Juden deportiert wurden, hier in Deutschland, wo die Vernichtung geplant und organisiert wurde, hier ist der Schrecken der Vergangenheit näher und die Verantwortung für Gegenwart und Zukunft größer und verpflichtender als anderswo.

Es ist zu verurteilen, dass im Heute mit reger Beteiligung der Bundeswehr eine ungeheure Kriegsübung in Osteuropa ausgeführt werden soll. Ein US-amerikanisches Manöver mit Namen Defender Europe 2020, was nahelegen soll, es ginge um einen Akt der Verteidigung. Zehntausende Streitkräfte und ganze Waggons voller Kriegsmaterial und Panzer an die russische Grenze zu verlegen, ist ein fatales Signal. Zur Vorbereitung des Manövers ziehen die Truppen auch am 27. Januar 2020 durch Deutschland, dem 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Das ist furchtbarer Zynismus. Das Manöver ist für Mai in Osteuropa geplant, wenn sich auch der Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus ebenso zum 75. Mal am 8. Mai jährt. Auch das ist an Provokation kaum zu überbieten.

Wir alle, die Deutschland unser Zuhause nennen, wir alle tragen Verantwortung dafür, welchen Weg dieses Land gehen wird.

Der Fremdenhass, die Verlockung autoritärer Herrschaftspraktiken und insbesondere ein sich immer weiter verschärfender Nationalismus sind in Deutschland und überall auf der Welt in Besorgnis erregender Weise auf dem Vormarsch.

Wir haben eine moralische Pflicht. Die erfüllt sich nicht nur im Erinnern, denn aus dem Erinnern ergibt sich ein Auftrag: Bewahrt die Mitmenschlichkeit! Schützt die Rechte eines jeden Menschen!

Die Gemeinschaft, in der wir alle leben wollen, wird nur dort gedeihen, wo die Würde des Einzelnen geachtet und wo Solidarität gelebt wird.

Landrätin Petra Enders. 

V. i. S. d. P. Doreen Huth, Büro Landrätin