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09.11.2020

Stilles Gedenken für die Opfer des Novemberpogroms.

Mit einer Kranzniederlegung auf dem Friedhof in Arnstadt haben Landrätin Petra Enders, Superintendentin Elke Rosenthal und Bürgermeister Frank Spilling im Stillen den Opfern des Novemberpogroms gedacht. Lesen Sie hier Landrätin Petra Enders Wort zum Gedenken.

»Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.«

George Santayana

Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, als SA- und SS-Banden die Synagogen niederbrannten, jüdische Geschäfte verwüsteten und jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger ermordeten, jährt sich heute zum 82. Mal. Dieser Zerstörung von Synagogen folgte die Auslöschung jüdischen Lebens – nicht nur hier in Arnstadt.

Im Mai 1945 endete die faschistische Gewaltherrschaft, endeten Bombennächte und Todesmärsche und es war das Ende beispielloser deutscher Verbrechen und des Zivilisationsbruches der Shoah.

Hier in Deutschland, wo der Vernichtungskrieg geplant und entfesselt worden war und wohin er mit aller Wucht zurückkehrte – hier wollen wir heute gemeinsam erinnern.

Wir wollen erinnern, mit den Älteren, die jene furchtbare Zeit selbst noch erlebt haben.

Und wir wollen mit den Jüngeren gedenken, die heute, Generationen später, fragen, was die Vergangenheit ihnen eigentlich noch zu sagen hat. Ich möchte Ihnen sagen, dass es auf sie ankommt. Sie müssen die Lehren und das Gedenken aus diesem verbrecherischen Krieg bewahren und in die Zukunft tragen.

Wer sich gegen diese Erinnerungskultur stellt, wer einen Schlussstrich fordert, der will nicht nur die Katastrophe von Krieg und NS-Diktatur aus dem kollektiven Gedächtnis löschen. Der entwertet auch all das Gute, das wir seither errungen haben – der verleugnet sogar den Wesenskern unserer Demokratie.

"Die Würde des Menschen ist unantastbar." In diesem ersten Satz unserer Verfassung verdichtet sich im Angesicht der Nazi-Verbrechen das zentrale Menschenrecht und die Pflicht der heute in unserem Land Lebenden, dieses Recht für Alle einzufordern und zu verteidigen.

Wer das Erinnern als Last empfindet, stellt sich bewusst gegen die Verfassung und unser demokratisches Gemeinwesen.

Nicht das Bekenntnis zur Verantwortung ist eine Schande – das Leugnen der Verantwortung ist eine Schande!

Wenn wir heute des 9. November 1938 gedenken, dann erinnern wir an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte. Mit Trauer, mit Entsetzen, mit Scham blicken wir auf das zurück, was Menschen Menschen antun können – Nachbarn dem Nachbarn, nur, weil sie Juden waren.

Im Jahr 1938 lag der Beginn des Holocaust noch zwei Jahre entfernt. Aber von der Pogromnacht bis zum Massenmord an den Juden in Europa gab es eine kontinuierliche Entwicklung, in der die NS-Führung ihre antisemitischen Maßnahmen schrittweise verstärkte. In den Worten eines zeitgenössischen Historikers war das Pogrom ein "Vorspiel zum Völkermord".

Heute, an diesem Gedenktag, verneigen wir uns mit tiefem Respekt vor den Überlebenden - ob sie heute unter uns sind oder an anderen Orten.

Und wir verneigen uns in Trauer und immerwährendem Gedenken vor den sechs Millionen ermordeten jüdischen Frauen, Männern und Kindern und allen Opfern der nationalsozialistischen Verbrechen.

Auch wenn eines Tages niemand mehr unter uns sein wird, der selbst Zeuge dieses Vernichtungswahns wurde, wird es eine Aufgabe sein die Flamme der Erinnerung nie verlöschen lassen!

Aus dem Jahr 1938 sind folgende Sätze eines zwölfjährigen jüdischen Jungen überliefert:

„Mutti, wenn wir wirklich so schlecht sind und kein anderes Land uns aufnehmen will, ist es doch besser, gleich Schluss zu machen.“

Nie wieder darf es so weit kommen, dass ein Mensch, und erst recht ein Kind, nur wegen seiner Herkunft Anlass zu so viel Verzweiflung hat.

Nie wieder! Das möchte ich heute und immer wieder sagen. Besonders vor dem Hintergrund, dass die Ereignisse der jüngsten Zeit von neuen erheblichen Spannungen zwischen Religionen und Kulturen geprägt sind. Es ist wichtig, ja lebensnotwendig, sich von Menschlichkeit und Friedfertigkeit, von Toleranz und Dialog leiten zu lassen und respektvoll miteinander umzugehen.

Bürgermeister Frank Spilling, Superintendentin Elke Rosenthal und Landrätin Petra Enders gedenken der Opfer des Novemberpogroms.

V. i. S. d. P. Doreen Huth, Büro Landrätin