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07.05.2021

Statement der Landrätin Petra Enders zum 76. Jahrestag der Befreiung

„Der 8. Mai ist ein Tag des Gedenkens, des Trauerns und des Erinnerns. Erinnerungsarbeit lebt in erster Linie von der Mitwirkung der Zivilgesellschaft und ist gerade jetzt so wichtig. Deshalb rufe ich alle auf, den Gedenktag der Befreiung mit symbolischen Gesten der Erinnerung an öffentlichen Orten zu begehen. Jede kleine Geste, jedes symbolische Zeichen und jede abgelegte Blume ist wichtig. Die Erinnerung an die Opfer und die Überlebenden muss wachgehalten werden!“, so Landrätin Petra Enders.

Richard von Weizsäcker schloss seine Rede 1985, am 40. Jahrestag der Befreiung, mit der mahnenden Bitte an junge Menschen: „Lassen Sie sich nicht hineintreiben in Feindschaft und Hass gegen andere Menschen, gegen Russen oder Amerikaner, gegen Juden oder Türken, gegen Alternative oder Konservative, gegen Schwarz oder Weiß. Lernen Sie miteinander zu leben, nicht gegeneinander.“

„Leider lese und erlebe ich heute anderes:

Das Gegeneinander nimmt zu. Auch Deutschland fällt hinter frühere Erkenntnisse zurück. Antisemitismus und Rassismus werden hierzulande unverhohlener geschürt, Fremdenfeindlichkeit demonstriert. Mit dem Sterben der letzten Überlebenden droht die Geschichtsfälschung. Eine Zunahme der Leugnung und Umdeutung des Holocausts ist bereits heute erkennbar, nicht nur in Deutschland. Wir brauchen eine gesunde Erinnerungskultur, um die Geschichte am Leben zu halten und die richtigen Lehren aus dem Faschismus zu ziehen. Es geht nicht darum, sich schuldig zu fühlen, sondern die Fehler vergangener Generationen nicht zu wiederholen. Wir müssen jeden Tag Rechtsextremismus und Rassismus wirksam begegnen und unsere Demokratie stärken!“

Auch in Corona-Zeiten ist die historische Erinnerung wichtig – wenn nicht sogar wichtiger denn je! Das Kriegsende jährt sich in diesem Jahr zum 76. Mal. In der Nacht vom 8. zum 9. Mai 1945 unterzeichneten in Berlin-Karlshorst Vertreter des Oberkommandos der deutschen Wehrmacht vor den Vertretern der Streitkräfte der Anti-Hitler-Koalition die offizielle Urkunde über die bedingungslose Kapitulation Deutschlands. Es war das offizielle Ende eines verbrecherischen Systems, dessen Weltherrschaftspläne, Herrschaftspraxis und Rassenwahn die menschliche Zivilisation generell in Frage gestellt hatten.

Wir begehen heute nicht nur das Ende des 2. Weltkrieges. Wir gedenken ebenso den Millionen Menschen, die Opfer faschistischer Gewalt wurden. Ungeheure Verbrechen wurden im Namen Deutschlands von Deutschen begangen, die Bilanz des Zweiten Weltkrieges ist eine Bilanz des Schreckens und des Terrors. Mehr als 60 Millionen Menschen starben bei Kampfhandlungen, durch Repressalien, durch Aushungern, durch Massenvernichtungsaktionen und durch Kriegseinwirkungen.

Unfassbar ist die Shoah, der industrielle Massenmord an sechs Millionen europäischer Jüdinnen und Juden, die – wie auch Sinti und Roma – dem Rassengenozid zum Opfer fielen. Unzählige Menschen litten unter Hunger und Not, wurden vertrieben und mussten flüchten. Bis heute weitgehend aus dem kollektiven Gedächtnis der Menschen gelöscht sind die Verbrechen an den Völkern Ost- und Südosteuropas, deren Opfern gedenken wir. Und wir gedenken denjenigen unter den Deutschen, die aufgrund ihres politischen und moralischen Widerstandes verfolgt, vertrieben oder eingesperrt und ermordet wurden. Allen voran KommunistInnen, SozialdemokratInnen und GewerkschafterInnen, aber auch ChristInnen und konservativ denkende DemokratInnen, die unter großen Opfern Widerstand geleistet haben.

Die Befreiung brachte den Menschen in weiten Teilen Europas einen nun seit 76 Jahren andauernden Frieden und die Durchsetzung der universellen Menschen- und Freiheitsrechte. Unser Grundgesetz, mit seinem antifaschistischen Kern gleich schon in Artikel 1, „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, ist Ausdruck dieser Befreiung und zugleich Basis für weiteren sozialen Fortschritt in unserer Gesellschaft. Unsere gesellschaftliche Aufgabe ist es, am 8. Mai und an jedem anderen Tag, gegen Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus einzutreten.

Landrätin Petra Enders

V. i. S. d. P. Doreen Huth, Büro Landrätin